Mia gem nix, mia hom säiba ned g’nug.
Wemmr gäbad, gäbad mr gern – abbr mir gäbad nix!
Ick hab nüscht und jeb ooch nüscht
Ik heff nix un giv ok nix
Ich habe nur noch wenig Lust auf Nachrichten und doch lese ich täglich Zeitungen, höre Radio und sehe nach den Umfragen zu den anstehenden Landtagswahlen morgen.
Am Freitag vor 10 Tagen hat ein offenkundiger IS-Mörder in Solingen Menschen umgebracht und schwer verletzt. Ich lese seitdem von Bestürzung, Wut, Trauer nach dem Anschlag, höre eine scharfe Debatte um härtere Asyl- und Abschieberegeln. Und fürchte mich vor den Extremen aller Couleur, die am Sonntag die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen bestimmen werden, Wahlen, die manche schon Schicksalswahlen nennen.
Der ehemalige bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm1 sagte vorgestern im Deutschlandfunk, nach dem gesellschaftlichen Klima in Deutschland gefragt: „Das besorgt mich schon sehr. Ich glaube, dass wir alle dieses Gefühl haben des Zorns, der Empörung, dass so ein hinterhältiger Mordanschlag bei einem Fest, wo Menschen einfach feiern wollen, da verübt wird. Auch dass Menschen Angst haben. Das ist etwas, was das Klima im Moment prägt. … Und natürlich muss man darüber nachdenken, was kann man jetzt ganz konkret tun?“ Und weiter dann:
„Aber gleichzeitig, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass wir in diesem gesellschaftlichen Klima jetzt nicht von diesem schlimmen und grausamen Anschlag her all die Menschen mit einem Etikett versehen, die hierher kommen und Asyl suchen.“
Skepsis sei angebracht gegenüber allen populistischen Vorschlägen, die auf Kosten aller Asylsuchenden gehen. „Die meisten, die hier sind, die wollen einfach nur Schutz.“
Ich kann ihm nur zustimmen: Der Islamismus und alle Formen von Extremismus, auch religiöser Extremismus muss bekämpft werden, „mit allen möglichen rechtsstaatlichen Mitteln.“
Wie wird von staatlichen Stellen der Kampf gegen den Dschihadismus in Deutschland und Europa geführt?
In einem Podcast von Anne Will mit Peter R. Neumann2 höre ich eine Einschätzung des Experten auf die Frage, was er als Berater Politikern dazu vorschlagen würde:
„Das Erste ist zu sagen, wir müssen diese dschihadistische Gefahr wieder priorisieren.“ Das sei lange Zeit nicht der Fall gewesen „und das bedeutet, dass Ressourcen, Aufmerksamkeit, auch politische Aufmerksamkeit wieder stärker auf diesem Thema ist. Mir haben Leute gesagt, vor zwei Jahren zum Beispiel von Sicherheitsbehörden – ich möchte jetzt keine Namen nennen -, dass Dschihadismus eigentlich nur Thema Nummer 4 ist. Also Rechtsextremismus ist wichtiger, Cyber ist wichtiger, natürlich Russland ist wichtiger, ja die großen Mächte, das sind alles wichtige Themen und Dschihadismus ist eigentlich überhaupt nicht mehr wichtig.“
Das heiße: Sicherheitsbehörden müssten sich darauf einstellen, dass sich heute sehr viel jüngere Attentäter im Internet radikalisieren. Sogenannte virtuelle Agenten müssten in Chaträumen im Internet präsent sein, Aufklärung betreiben und Anschlagsvorbereitungen verhindern. Das erfordere gezielte, personalintensive Arbeit.
Die meisten Anschlagspläne würden in Asylunterkünften von sehr jungen Menschen geschmiedet. Prävention sei wichtig.
Ich denke: Prävention ist hier nur durch Personal zu leisten, das aber in Sammelunterkünften fehlt.
Ein Beitrag in der ARD-Sendung MONITOR vorgestern Abend zeigte am Beispiel, wie Behörden der Bundesrepublik die Aufsicht über solche Sammelunterkünfte mehr und mehr privaten Investoren überlassen. Von denen ist Präventionsarbeit natürlich nicht zu erwarten.
In den aufgeregten Debatten der vergangenen Tage waren sich fast alle einig, die Ampel hat versagt, auch die CDU unter Angela Merkel hat riesige Fehler mit „Wir schaffen das!“ gemacht. Was also schlägt die größte Oppositionspartei im Bundestag vor, um die Bürger in Deutschland vor solchen Anschlägen zu schützen?
Dazu gab es eine Bundespressekonferenz mit Friedrich Merz, fast anderthalb Stunden, die mir kein Vergnügen waren. Ein selbstgefälliger, aufgeblasener Merz wusste, wie es geht:
Niemand darf mehr rein nach Deutschland, Schluss mit Asyl. Gesetze, die dem entgegenstehen, müssen geändert werden, sodass Asyl nicht mehr stattfinden kann. „Wenn etwas rechtlich gesetzlich nicht möglich ist, dann müssen wir, und dafür sind wir gewählte Abgeordnete, dann müssen wir die Gesetze ändern. Und genau um diese Frage geht es. Was müssen wir ändern in der bestehenden Rechtslage?“
Zur Frage, wer denn von den Zugewanderten Probleme verursache:
“Wir sprechen über einen kleinen Prozentsatz von Menschen, die in unserem Land sind und die uns Probleme machen. Wir haben einen großen Teil der Bevölkerung, die zugewandert sind, auch diejenigen, die in den letzten Jahren gekommen sind, die hier völlig unauffällig leben, die versuchen, sich zu integrieren, obwohl diese Integrationsleistungen nur sehr begrenzt erfolgreich sind.“
Und Söder will – so lese ich heute – den grundrechtlich geschützten individuellen Anspruch auf Asyl ganz abschaffen, obwohl nur ein sehr geringer Prozentsatz aller Asylanträge nach Grundgesetzartikel 16a in Deutschland positiv entschieden wird3.
Was habe ich aus dem Gehörten und Gesehenen gelernt?
Wenn es darum geht, die Anschlagswahrscheinlichkeit in Deutschland zu verringern, braucht es Polizei- und Geheimdienstarbeit, auch an den Landesgrenzen, vielleicht auch mit erweiterten Befugnissen der Informationsbeschaffung. Doch genauso braucht man Sozialarbeit in Schulen, Wohngebieten und Sammelunterkünften für Asylwerber.
Mit diesen Mitteln kann man in Deutschland aber keine Wahlen gewinnen. Da ist es wirkungsvoller, jeden fremd aussehenden Menschen zu verdächtigen, dem deutschen Volke schaden zu wollen, nach Remigration zu rufen und menschliche Hilfeleistungen zu unterlassen.
Ich glaube, dass weder Merz oder Söder als Kanzler noch Sahra Wagenknecht als Kanzlerin die Unterschrift unter die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 annullieren werden. Genauso wenig werden sie den Grundgesetzartikel 16a schleifen, vermute ich4. Ich fürchte, was sie mit ihrer Rhetorik bezwecken ist, einem sehr großen Teil des wahlberechtigten deutschen Volkes nahezulegen, sie zu wählen. Was sie erreichen aber ist, die AFD, den DRITTEN WEG und ähnliche Kräfte zu stärken – leider.
- Interview mit Heinrich Bedford-Strohm, Weltkirchenrats-Vorsitzender und Ex-EKD-Ratsvorsitzender ↩︎
- Podcast Politik mit Anne Will: Wie werden Menschen zu Terroristen? Mit Peter R. Neumann ↩︎
- Nach Statistik der BAMF waren es 2023 1824 Personen , das entspricht 1,3 % aller Anerkennungen (BAMF Asylstatistik 2023) ↩︎
- Dazu muss schon die demokratische Ordnung des Grundgesetzes völlig zerstört werden, wie es möglicherweise Björn Höcke als Reichskanzler vorschweben würde. ↩︎