Frieden in der Ukraine… wer will den nicht?

Nie ist die Ehre der im Zweiten Weltkrieg, im Kampf gegen Hitler gefallenen sowjetischen Soldaten so sehr beschmutzt worden wie von diesem niederträchtigen Diktator und Kriegsverbrecher.
Mariupol’ wird nicht nur zum Symbol seiner Schande, sondern es ist jetzt schon das Symbol für die Tapferkeit und Ehre der Ukrainer geworden – vielleicht auch zum Menetekel des Versagens der Europäer, unseres Versagens.
Karl Schlögel

FR vom 3.5.2022

Wie aber kann der Friede, wenigstens ein Waffenstillstand erreicht werden?
Letztlich durch eine diplomatische Verhandlungen und Vertäge. Soweit sind sich alle einig. Wie sie aber zustande kommen sollen, dazu gibt es fundamental gegensätzliche Meinungen.

Verhandlungen sollen zum Ende des Krieges führen

In einem Offenen Brief [1]EMMA, 29.04.2022: Der Offene Brief an Kanzler Scholz forderten einige deutsche Intellektuelle sofortige Verhandlungen mit Russland, denn „die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen … könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. Und ein russischer Gegenschlag könnte so dann den Beistandsfall nach dem NATO-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen.
Also schlussfolgere ich: Wenn keine Waffenlieferungen an die überfallene Ukraine, dann auch kein Krieg, der „das Maß an Zerstörung und menschlichem Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung“ durch den berechtigten Widerstand gegen einen Aggressor in ein unerträglichen Missverhältnis bringt.

Am 29.06.2022 folgte ein neuer Offener Brief in der ZEIT mit der Überschrift: Waffenstillstand jetzt!, wieder mit der Forderung, Verhandlungen der internationalen Gemeinschaft – vor allem der USA – mit Russland zu beginnen.[2]ZEIT online, 29.06.2022.
Juli Zeh – Mitunterzeichnerin des Briefes sagte in einem Interview mit dem NDR auf die Frage, wie solche Verhandlungen erreicht werden könnten:
Man kann in einem Konflikt, der so rabiat und brutal geführt wird, nicht erwarten, dass die Parteien sich freiwillig an den Tisch setzen und alle ihre Ambitionen fallen lassen. Sondern man muss das international begleiten – da ist die internationale Gemeinschaft gefragt, vor allem unter Führung der USA. Solange das nicht passiert, solange kein konzertierter, ernst gemeinter Vorstoß in diese Richtung erfolgt, können wir auch gar nicht wissen, ob es möglich ist oder nicht. Denn wir haben es schlicht und ergreifend noch gar
nicht mit ganzer Macht versucht.[3]3 NDR, Offener Brief zum Ukraine-Krieg: “Es geht darum, fatale Schäden zu vermeiden“, Interview mit Juli Zeh

Richard David Precht machte vor Kurzem den Vorschlag, eine Initiative einzelner NatoStaaten sollte Russland verbindlich garantieren, dass sie – Mitglieder der Initiative – eine Aufnahme der Ukraine in das Verteidigungsbündnis mit ihrem Veto verhindern könnten. Das würde zur Deeskalation der Lage beitragen und zu Verhandlungen führen.[4] Podcast „Geyer & Niesmann“ des RedaktionsNetzwerks Deutschland – RND

Daniela Dahn meinte kürzlich in der Berliner Zeitung, eine erfolgreiche Verhandlung zwischen Russland und der Ukraine zu einem Waffenstillstand wäre durch westliche Intervention verhindert worden. D.h. wenn der Westen nur wolle, könnte ein Waffenstillstand mit Putin erreicht werden.[5] Berliner Zeitung, 11.10.2022: Vom Wirbel des Krieges gepackt: Daniela Dahn zu Waffenlieferungen

Wer wäre der Verhandlungspartner für die Ukraine?

Zu dem ehrenwerte Wunsch, durch diplomatische Verhandlungen den Konflikt zu lösen und Frieden zu erreichen, meinte Serhij Zhadan: „Darin liegt der größte Fehlschluss der deutschen Intellektuellen: Die Russen wollen nicht mit uns verhandeln, sie wollen uns vernichten. Und wenn die deutschen Intellektuellen andeuten, eine allzu große Unterstützung für die Ukraine lohne nicht, weil die Ukrainer sowieso keine Chance hätten, lassen sie es zu, dass durch den russischen Chauvinismus und Revanchismus Normen und Gesetze verletzt werden und das ukrainische Volk ausgelöscht wird.[6]ZEIT online 6. 7. 22

Die Russen wollen die Ukraine vernichten! – eine extreme Meinung, wie ich beim Lesen dachte. Doch dann stieß ich auf die Übersetzung eines Artikels von Timofej Sergejzew[7]DEKODER: RIA Nowosti: Programm zur „Entukrainisierung“? in den Blättern für deutsche und internationale Politik[8]Was Russland mit der Ukraine tun sollte, der den Wunsch zur Vernichtung alles Ukrainischen als Kriegsziel klar ausspricht. Er schreibt u.a.:

Die notwendigen ersten Schritte der Entnazifizierung (der Ukraine – JB) können wie
folgt definiert werden:

  • Liquidierung der bewaffneten Nazi-Formationen (damit meinen wir alle bewaffneten Formationen der Ukraine, einschließlich der ukrainischen Streitkräfte) sowie der militärischen, informationellen und pädagogischen Infrastruktur, die ihre Tätigkeit gewährleistet
  • Bildung einer Volksselbstverwaltung und von Polizeikräften (Verteidigung und öffentliche Ordnung) in den befreiten Gebieten zum Schutz der Bevölkerung vor dem Terror der nazistischen Untergrundgruppen Einrichtung des russischen Informationsraums
  • Rücknahme von Unterrichtsmaterialien und Verbot von Bildungsprogrammen auf allen Ebenen, die nazistische ideologische Haltungen verbreiten
  • Massenermittlungsaktionen zur Feststellung der persönlichen Verantwortung für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbreitung der NS-Ideologie und Unterstützung des NS-Regimes
  • Lustration, Offenlegung der Namen von Kollaborateuren des Naziregimes und ihre Zwangsarbeit zum Wiederaufbau zerstörter Infrastrukturen als Strafe für NaziAktivitäten (aus dem Kreis derjenigen, die nicht mit der Todesstrafe oder einer Haftstrafe belegt werden)
  • Verabschiedung von primären Entnazifizierungsmaßnahmen „von unten“ auf lokaler Ebene unter russischer Kuratel, die jede Form der Wiederbelebung der NS-Ideologie verbieten
  • Die Errichtung von Gedenkstätten, Mahnmalen und Denkmälern für die Opfer des ukrainischen Nazismus und die Bewahrung des Andenkens an die Helden, die gegen ihn gekämpft haben
  • Die Aufnahme einer Reihe von antifaschistischen und entnazifizierenden Normen in die Verfassungen der neuen Volksrepubliken
  • Einrichtung von ständigen Entnazifizierungsstellen für einen Zeitraum von 25 Jahren.

Der Artikel ist das Produkt eines kranken Hirns dachte ich. Doch er ist veröffentlicht auf der Website von RIA Nowosti, der vom Kreml kontrollierten Nachrichtenagentur, und … „Da Dmitrij Medwedjew, von 2008 bis 2012 Präsident Russlands und heute Vizechef des russischen Sicherheitsrates, nur zwei Tage später einen ganz ähnlich gelagerten Artikel verfasst hat , kann davon ausgegangen werden, dass Sergejzews Text in seiner Grundausrichtung der staatlichen Linie entspricht,“ lese ich in der Einleitung zu dem abgedruckten Artikel in den Blättern.

Zum Ziel des Krieges in der Ukraine schrieb Medwedjew[9] Medwedjew: Über Fälschungen und echte Geschichte: „Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich das Ziel der Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine gesetzt. Diese komplexen Aufgaben werden nicht gleichzeitig ausgeführt. Und sie werden nicht nur auf den Schlachtfeldern entschieden. Das wichtigste Ziel ist, das blutige und voller falscher Mythen stehende Bewusstsein eines Teils der gegenwärtigen Ukrainer zu ändern. Das Ziel ist der Frieden zukünftiger Generationen von Ukrainern selbst und die Möglichkeit, endlich ein offenes Eurasien aufzubauen – von Lissabon bis Wladiwostok.

Demnach geht es der russischen Führung in dem Krieg nicht um die eigene Sicherheit, die angeblich von der NATO, von den USA, vom Westen bedroht wird. Nein: Alles Ukrainische soll beseitigt werden, der Start zum Aufbau eines unter russischer Kontrolle stehenden sogenannten Eurasiens ist das Ziel. Nicht eigene Sicherheit und friedliches Zusammenleben mit westlichen Nachbarn, nicht die Anerkennung der Unverletzlichkeit von Grenzen und die Herstellung eines kollektiven Sicherheitssystems ist angestrebt. Nein: Russlands alte territoriale Größe – zunächst – in den Grenzen nach dem Hitler-StalinPakt von 1939 soll erreicht werden. Und dann kann man auf dem Wege zum offenen Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok voranschreiten. Dazu muss zunächst die „Russische Erde zurückgeholt“ werden:

Was ist die Russische Erde am Rande des alten Russlands? Kriege machten sie dazu:

Peter I. eroberte die heutigen Länder Estland und einen großen Teil Lettlands nach den Nordischen Kriegen 1710 (1721 Friede von Nystadt).
Neurussland (Noworossija) – die historische Bezeichnung einer Region unmittelbar nördlich des Schwarzen Meeres – wurde ab 1774 endgültig in das Russische Kaiserreich eingegliedert [10]Ende des Russiche-Türkischen Krieges 1768-1774: Sieg Russlands. Das Krim-Khanat wird formell vom Osmanischen Reich unabhängig, gerät aber unter den Einfluss Russlands. Es wird 1783 annektiert und … Continue reading.
Die Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 machten das heutige Litauen, Belarus, die Westukraine und den ötliches Teil Lettlands (Kurland) zu russischer Erde.

In der Interpretation Putins war es ein unverzeihlicher Fehler der Bolschewiki, das Selbstbestimmungsrecht der in den genannten Kriegen an Russland angegliederten Völker in die Verfassung der UdSSR aufzunehmen und ein Verbrechen Gorbatschows, die ehemaligen Sowjetrepubliken 1991 in die Unabhängigkeit entlassen zu haben zu haben. Für Putin war der Unabhängigkeitswille in den ehemnaligen Sowjetreprubliken allein das Werk von Nationalisten:

„Warum musste man partout mit Gutsherrengeste alle möglichen, immer weiter in den Himmel schießenden nationalistischen Ansprüche an den Rändern des ehemaligen Imperiums befriedigen? Warum musste man den neu geschaffenen, oft völlig willkürlich zugeschnittenen Verwaltungseinheiten, den Unionsrepubliken, riesige Gebiete übergeben, die oft nicht den geringsten Bezug zu ihnen hatten? Und zwar Gebiete, ich sage es noch einmal, mitsamt ihrer Bevölkerung, die zum historischen Russland gehörte.
Mehr noch: Diesen Verwaltungseinheiten wurde faktisch der Status und die Form nationalstaatlicher Gebilde verliehen. Noch einmal die Frage: Wozu solche großzügigen Geschenke, von denen nicht einmal die glühendsten Nationalisten geträumt hatten, und wozu wurde dann noch den Unionsrepubliken das Recht verliehen, ohne Voraussetzungen aus dem Staatsverband auszutreten?
Auf den ersten Blick lässt sich das überhaupt nicht erklären, es ist völliger Irrsinn.“[11]V. Putin: Rede an die Nation vom 21.2.2022

Das Ziel des Überfalls auf die Ukraine ist, diese Fehler zu korrigieren, und ein Teil davon ist aus Putins Sicht erfolgreich erledigt:
Belarus ist schon lange vollständig von Russland abhängig, die sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk, Saporischja, Cherson und die Krim sind durch Kriegsführung russisch. Jetzt soll die ganze Ukraine, die angeblich schon immer zu Russland gehörte und erst von Lenin erfunden wurde[12]V. Putin: Über die historische Einheit von Russen, Essay 12. Juli 2021 in den Machtbereich Russlands zurück. Die Baltischen Staaten können dann folgen. Der Beitritt der Baltischen Staaten zur NATO steht einer solchen Eingliederung aber im Wege. Darum waren die Verhandlungsbedingungen Putins zum Waffenstillstand mit der Ukraine die gleichen wie im Ultimatum an die NATO und die USA vom Dezember 2021:
“Zeitgleich mit dem Überfall verkündete die russische Seite ihre “Verhandlungs­bereitschaft”. Ihre Bedingungen für ein Ende des Krieges kamen jedoch einer tota­len Kapitulation und Selbstauflösung des ukrainischen Staates gleich: Die Ukraine müsse die Waffen nieder­legen, ihre Nato-Beitrittsambitionen aufgeben und einen dauerhaft neutralen Status akzeptieren, Russisch den offiziellen Status einer Staats­sprache verleihen, die Krim als russisch und die sogenannten Volks­republiken Donezk und Luhansk als unabhängig anerkennen, sich “entnazifizieren” und “entmilitarisieren” – mit anderen Worten, einen Regime­wechsel in Moskaus Sinne durchlaufen.”[13]Sabine Fischer : Friedensverhandlungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine: Mission impossible .

Wenn also Verhandlungen mit Putin Russland gefordert werden, darf man dessen wahren Ziele nicht übersehen, wie es die Verhandlungsfordernden in unserem Lande bewußt oder aus alter Verbundenheit mit dem “Lande Lenins” oder aus prinzipieller ideologischer Aversion gegenüber der NATO oder auch nur angesichts eines bevorstehenden Winters mit steigenden Preisen tun. Die Kreml-Erzählungen über die Ukraine und den Krieg in Deutschland sind relativ erfolgreich:
Es gehe in Wirklichkeit um eine Konfrontation zwischen den USA beziehungsweise dem „Westen“ und Russland. In Kyjiw seien fanatisierte Nationalisten am Werk und die Krim sei eigentlich schon immer russisch gewesen. “Der Altbundeskanzler Helmut Schmidt ging so weit, nach der russischen Annexion nicht nur Verständnis für das Vorgehen des Diktators Wladimir Putin zu äußern, sondern stellte in Frage, ob es die Ukraine überhaupt gebe. Dass die Ukraine eine „künstliche Nation“ sei, wurde auch von anderen Kommentator:innen vielfach gesagt, ein Diktum, das gerne mit der Behauptung einer angeblichen „Geschichtslosigkeit“ des Landes einhergeht.” Als wenn eine Nation „natürlich“ existiere und nicht vielmehr das Ergebnis eines historischen Prozesses ist. “Die Grenzen der Ukraine sind nicht mehr oder weniger „künstlich“ als die von Russland oder Deutschland. Zweitens hat die Ukraine selbstverständlich eine Geschichte, sie ist 1991 nicht etwa vom Himmel gefallen.[14] Franziska Davies: Schauplatz und Akteur europäischer Geschichte

Verhandlungen kann man führen, wenn…

Solange diese Kriegsziele Russlands bestehen, gibt es für die Ukraine nichts zu verhandeln, es sei denn sie stimmen ihrer „Inkorporation“ zu. Das sind bisher die Bedingungen, zu denen die russische Führung zur Einstellung von Kampfhandlungen bereit ist.
Russland muss also gezwungen werden, diese imperialistischen Pläne zu aufzugeben und muss Bereitschaft zeigen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Dann kann man über den Zeitraum, die Durchführung, die Voraussetzungen des Rückzugs verhandeln, auch über Reparationen für das zerstörte Land. (Natürlich jetzt schon über Fluchtkorridore, Gefangenenaustausch, Getreideausfuhr und solche Dinge.)

Solange Putin und seine Clique die Macht hat, werden diese Verhandlungsvoraussetzungen kaum eintreten, es sei denn, Russland verliert die Fähigkeit zu weiterer Aggression. Das kann nur durch militärische und wirtschaftliche direkte Hilfe aus den westlichen Ländern und durch ökonomische Schwächung Russlands erreicht werden.

Ich hätte nie gedacht, Waffenlieferungen, Kriegsunterstützung, wirtschaftliche Boykottmaßnahmen, die natürlich die Bürger Russlands schädigen, gutzuheißen. Angesichts der imperialen Absichten, die dieser Aggression zugrunde liegen, sehe ich keinen anderen Weg.

Leider wird dieser Krieg neben allem unmittelbaren Leid, Tod und Zerstörung auch mentale Verwüstungen anrichten: den Nationalismus, den es in der Ukraine gewiss auch schon vor dem Krieg gegeben hat, enorm verstärken, den Völkerhass schüren, antidemokratische Strömungen auch in der Ukraine anwachsen lassen. Ob die baldige Mitgliedschaft eines solchen Landes der europäischen Idee und der EU nützen wird, wage ich zu bezweifeln.

Hilfe muss diesem Land in den kommenden Jahren aber uneingeschränkt gewährt werden!

Beitragsbild: Von armyinform.com.ua – https://armyinform.com.ua/2022/03/26/francziya-vymagatyme-vid-rf-znyaty-oblogu-mariupolya/, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=116431122

References

References
1 EMMA, 29.04.2022: Der Offene Brief an Kanzler Scholz
2 ZEIT online, 29.06.2022
3 3 NDR, Offener Brief zum Ukraine-Krieg: “Es geht darum, fatale Schäden zu vermeiden“, Interview mit Juli Zeh
4 Podcast „Geyer & Niesmann“ des RedaktionsNetzwerks Deutschland – RND
5 Berliner Zeitung, 11.10.2022: Vom Wirbel des Krieges gepackt: Daniela Dahn zu Waffenlieferungen
6 ZEIT online 6. 7. 22
7 DEKODER: RIA Nowosti: Programm zur „Entukrainisierung“?
8 Was Russland mit der Ukraine tun sollte
9 Medwedjew: Über Fälschungen und echte Geschichte
10 Ende des Russiche-Türkischen Krieges 1768-1774: Sieg Russlands. Das Krim-Khanat wird formell vom Osmanischen Reich unabhängig, gerät aber unter den Einfluss Russlands. Es wird 1783 annektiert und als Oblast Taurien ein Teil Neurusslands.
Der Beginn der politischen Inkorporation der Ukraine durch das Zarenreich wird in der Regel auf das Jahr 1654 datiert, als der Kosakenführer Bohdan Chmelnyzkyj in Perejaslaw einen Treueschwur auf den russischen Zaren leistete. Dies geschah im Kontext des Kosakenaufstands gegen Polen-Litauen, den Chmelnyzkyj 1648 mit dem Ziel losgetreten hatte, die eigenen Privilegien zu verteidigen. Der Schwur von Perejaslaw gehört bis heute zu den zwischen der Ukraine und Russland umstrittensten historischen Episoden. Es gibt einen zentralen russisch-imperialen Mythos, demzufolge dieser Schwur die „Wiedervereinigung“ zweier Völker markierte. Aus ukrainischer Sicht gab es zum Zeitpunkt des Schwures nicht die Vorstellung einer „Wiedervereinigung“ eines Volkes von Russländern und ukrainischen Kosaken. Beide Seiten hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Beziehung sie mit der Vereinbarung eingingen.
Aus Moskauer Perspektive handelte es sich um die Unterwerfung der Kosaken unter die Herrschaft des Zaren, aus ukrainisch-kosakischer Perspektive war es der Beginn einer jederzeit kündbaren Allianz zwischen zwei gleichberechtigen Partnern.
11 V. Putin: Rede an die Nation vom 21.2.2022
12 V. Putin: Über die historische Einheit von Russen, Essay 12. Juli 2021
13 Sabine Fischer : Friedensverhandlungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine: Mission impossible
14 Franziska Davies: Schauplatz und Akteur europäischer Geschichte