Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.
angeblich Johann Gottfried Herder – vielleicht hat auch nur der Berliner Innensenator Lummer Herder es 1981 Herder zugeschrieben
Heimat ist, es als Vorzug zu empfinden, dort zu leben, wo man lebt.
Joochen Laabs – Der Schattenfänger
Ubi bene – ibi patria.
wie der Lateiner sagt
Heimat ist in jüngerer Vergangenheit ein viel diskutierter Begriff. Ministerien in Deutschland führen ihn als Bezeichnung: im Bund das Ministerium des Inneren, im Bayern hielt man es für geboten, Heimat im Ministerium für Finanzen unterzubringen, Nordrhein-Westfalen hat ein Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. In kontroversen Diskussionen über kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung, über Herkunft und Identität ist oft von Heimat die Rede – der Zentralbegriff in Wahlkampagnen der AfD1Georg Schuppener: Heimat-Lexik und Heimat-Diskurse in AfD-Wahlprogrammen, Revista de Filología Alemana, 29, 2021. 2017 hielt es der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Ansprache zum 3.Oktorber für geboten, dazu zu sagen:
“Diese Sehnsucht nach Heimat dürfen wir nicht denen überlassen, die Heimat konstruieren als ein “Wir gegen die”; als Blödsinn von Blut und Boden; die eine heile deutsche Vergangenheit beschwören, die es so nie gegeben hat. Die Sehnsucht nach Heimat – nach Sicherheit, nach Entschleunigung, nach Zusammenhalt und vor allen Dingen Anerkennung –, diese Sehnsucht dürfen wir nicht den Nationalisten überlassen. “
Auch wir von der Initiative Müritz hilft starteten eine Diskussionsreihe zu diesem Thema mit dem Titel Gesprächen im Café. Wie nicht anders zu erwarten, hatten die Beteiligten sehr verschiedene Auffassungen zum Heimatbegriff. Alle aber verbanden Heimat mit Orten und Räumen, die mit positiven emotionalen, sozialen und politischen Erfahrungen verknüpft sind, mit Vertrautheit, Zugehörigkeit, Wieder- und Anerkennung. Ich hielt diesen Begriff eher für den Ausdruck von Provinzialismus, Gefühlsduselei oder völkischem Geraune, wie Heidi mit dem Alpöhi, Peter Roseggers Waldbauernbub oder dem völkischen Geschwurbel Hermann Löns’: „Ich bin Teutone hoch vier. Wir haben genug mit Humanistik, National-Altruismus und Internationalismus uns kaputt gemacht, so sehr, daß ich eine ganz gehörige Portion Chauvinismus sogar für unbedingt nötig halte. Natürlich paßt das den Juden nicht und darum zetern sie über Teutonismus. Das aber ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.“2WDR.
Nach den ersten Diskussionsrunden fragte ich mich, wo und wann ich mich meiner Lebensumgebung zugehörig und vertraut gefühlt hatte, mit welchen sozialen und politischen Gegebenheiten in meinem Leben ich mich identifiziere, welche Lebensorte und -umstände mich emotional so anzogen haben, dass ich sie Heimat nennen würde. Ich kam zum Schluss, solche Orte gab und gibt es für mich nicht.
Als Geflohener hörte ich als Kind – besonders von meiner Mutter – das Seufzen über eine verlorene Heimat, fühlte mich in der sozialistischen Schule fremd, fand mein Land – die DDR – als junger Mensch sehr verbesserungsbedürftig und musste einsehen, dass es nicht zu verbessern war.
In den euphorisierenden Monaten 1989/90 vor dem Beitritt zur Bundesrepublik hatte ich die Hoffnung auf ein Land mit einer sozialen Ordnung, das ich Heimat nennen könnte. Das erwies sich als Illusion, die ich mit einer Minderheit geteilt hatte. Ich wurde Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Land war und ist für mich bereichernd. Es hat mir selbständige Arbeit ermöglicht, mir Reisen erlaubt, die meine Neugier bedienten und meinen Horizont erweiterten, und es hat mir meine Hilflosigkeit staatlicher Willkür gegenüber genommen,
Ich habe es aber auch als Land kennengelernt, in dem Ängste vor Überfremdung Fremdenfeindlichkeit produzieren und Hilfesuchende als Schmarotzer gesehen werden und in dem die BILD-Zeitung die auflagenstärkste Tageszeitung ist, als Land der langen Diskussionen im Restaurant über die Höhe des Trinkgelds und der grün gewaschenen Werbespots mit aggressivem Aufruf zum Konsumieren. Dieses Land kann ich nicht Heimat nennen, und glaube, ein solches Land gibt es für mich in der Realität auch nicht.
Der Umzug nach Mecklenburg nach dem Ende meines Berufslebens gab mir aber sofort das Gefühl von Vertrautheit mit den mir aus der Kindheit bekannten Landschaften, Orten und der Sprache des Nordens. Meine erste Lektüre waren Fritz Reuters Ut mine Stromtid, Ut mine Festungstid und Ut de Franzosentid. Wir lernten hier Menschen kennen, mit denen wir gern zusammen sind. Ich fühlte ich mich hier zu Hause.